Die Stadt Schaffhausen hat am vergangenen Wochenende bei herrlichstem Wetter mit der 14. IBK-Künstlerbegegnung zum Motto „ÜBER SETZEN" in der Sparte Jugendtheater einen lebendigen und tiefschürfenden Ausnahmezustand erlebt. Für drei Tage wurde die Altstadt zum Brennpunkt für Jugendtheater aus der Bodenseeregion. Das vielseitige Programm von 23 Vorstellungen, denen jeweils zwischen 40 und 140 Personen beiwohnten, verwandelte Alltagsplätze in Bühnen.
Regierungsrat und Kulturminister Christian Amsler, der den Kanton Schaffhausen in der IBK vertritt, eröffnete die diesjährige Künstlerbegegnung und würdigte das hohe Engagement der Mitwirkenden. An der Eröffnungsperformance der rund 50 jungen Menschen und 15 Theaterschaffenden aus dem Bodenseeraum strömten die Jugendtheatergruppen aus allen Gassen auf den Fronwagplatz: hoppelnd, mit roten Eimern oder Schwimmringen bestückt, mit trippelnden Schritten, schleichend, wild gestikulierend, schwimmend und über imaginäre Grenzen springend; mitten auf dem Platz die Mitglieder der Kommission Kultur der IBK, ausgestattet mit gold-glänzenden Buchstaben. Sie wurden mit einem witzig-surrealen bis poetisch anmutenden Flashmob vom jugendlichen Treiben umspült und im Handumdrehen Teil des Geschehens. Schließlich stiegen die Goldbuchstaben als Wort ÜBER SETZEN über die Dächer hinaus und leuchteten in der Abendsonne symbolisch für einen grenzüberschreitenden künstlerischen Dialog.
Die Stücke der Jugendtheater
Am Samstag eroberten die Jungdarsteller/innen mit ihren eigens für diesen Anlass entwickelten Stücken bei schönstem Herbstwetter fünf Alltagsbühnen der Stadt – und die Herzen des Publikums. Alle Aufführungen begeisterten durch eine hohe Spielqualität und Präsenz der Schauspieler/innen und deren erfrischende Direktheit. Wer sich alle zehn Stücke anschaute, weiß: Unsere Jugendlichen und jungen Erwachsenen haben etwas zu sagen, mal laut, mal zart, aber immer deutlich und eindringlich – und dies mit großer Lust.
Die Themen der Aufführungen zeigten: Die jungen Menschen machen sich Gedanken zu grenzüberschreitenden, gesellschaftsrelevanten Themen und Phänomenen. Das Theater Eukitea aus Augsburg, Bayern, und das Junge Landestheater aus Bregenz, Vorarlberg, berührten mit feinfühlig inszenierten, wahren Flüchtlingsgeschichten. Das Theater im Kiesel 42 aus Friedrichshafen, Baden-Württemberg, brachte das Publikum zuerst mit ihren Challenges zum Kreischen und ließ es schließlich durch einen (fiktiven) Facebook-Live-Stream mit dem ultimativen Challenge, dem Suizid vor laufender Kamera, betroffen verstummen. Aus dem Kanton Appenzell Innerrhoden griff die Theatergruppe des Gymnasiums St. Antonius Appenzell eine schweizerische Eigenart auf: „Wir Schweizer sollten noch mehr bunkern." Doch die Geister des Alpsteins mit ihren (live gespielten) Alphornklängen schafften es, die Bergbauleute, die mittlerweile selbst nicht mehr wussten, warum sie im Untergrund was und wozu bunkerten, in den Sonnenschein hinauszuführen, damit sie wieder mit der Realität von heute und über einschränkende Grenzen hinaus in den Dialog kommen.
Die Jugendlichen machten sich aber auch Gedanken zu sich selbst, zum Umgang mit Mitmenschen, zu ihrer unmittelbar bevorstehenden Zukunft und wie sie diese gestalten wollen: Das Junge Theater Liechtenstein aus Schaan fragte das Publikum, welche schmerzlichen Erfahrungen zurückgelassen werden müssen, damit ein Neubeginn gelingen kann, und baute dazu mit Getränkekisten ständig neue Kulissen. Das Theater Bilitz aus Weinfelden im Kanton Thurgau konfrontierte die Zuschauenden – zuerst als zwitschernde, schräge Vögel auftretend – mit den Fragen: „Was macht mich aus? Was ist einzigartig an mir und darum besonders liebenswert?" Die Spielerinnen des LAB Junges Theater Zürich tauchten als ihre Computerspiel-Avatare auf und versuchten den nächsten Level zu erreichen, wohlwissend, dass sie für den Erfolg ihre Stärken gekonnt einsetzen müssen.
Und die jungen Menschen beschäftigten sich alterstypisch mit Grenzen aller Arten und deren Überwindung sowie der Gestaltung ihrer eigenen Welt: Der Jugendclub momoll theater Schaffhausen entführte das Publikum auf verspielte und interaktive Weise vom Rheinufer in andere Welten. Das Theater U21 aus St. Gallen, welches für die Kantone St. Gallen und Appenzell Ausserrhoden anreiste, zeigte nur mit den Worten „Hey", „He" und „Hä" den zuweilen konfliktreichen Dialog über gezeichnete Grenzen auf, die eigentlich ganz leicht weggewischt werden könnten. Das Theater Szenario aus Schaffhausen erzählte eine romantische Geschichte eines sprachlosen Paares mit Live-Musik und teilweise auf Rätoromanisch.
Abschlussperformance
Am Sonntag gelang den Theatergruppen aus der Bodenseeregion dann das gewagte Experiment, innerhalb von vier Stunden eine gemeinsame halbstündige Schlussperformance in der Rhybadi auf die Beine zu stellen. Auf unterschiedlichen Wegen im Probeprozess entstand ein vielseitiges Potpourri mit Eindrücken der 14. IBK-Künstlerbegegnung. Die Zuschauerränge wurden ebenso zur Bühne wie ein neun Quadratmeter großes Floß, an welchem heranpaddelnde Flüchtlinge mit dem Song „Ich hab ein knallrotes Gummiboot" willkommen geheißen wurden. Sämtliche Kurzstücke kamen in einer übersetzten Version noch einmal zum Vorschein. Die starke Botschaft des Finales war denn auch eindrücklich und unüberhörbar, obwohl sie fast ohne Worte übermittelt wurde: alle Jungdarsteller/innen bestiegen das wankende Floß und brachen gemeinsam zu neuen Ufern auf.
Die Projektleiterin Katrin Sauter mit ihrem Team, der Kulturbeauftragte des Kantons Schaffhausen Roland E. Hofer und Margrit Bürer, Leiterin des Amtes für Kultur des Kantons Appenzell Ausserrhoden und Vorsitzende der Kommission Kultur der IBK, blicken auf eine sehr erfolgreiche IBK-Künstlerbegegnung zurück. Die Jugendtheater mit ihren Theaterschaffenden haben mit einer Fülle von Themen und Stilmitteln das vielschichtige Motto ÜBER SETZEN der 14. IBK-Künstlerbegegnung herausgeschält und so das Publikum auf vielseitige Weise tief berührt, bestens unterhalten, verzaubert und in andere Welten und Sichtweisen entführt
Weitere Informationen
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theater@katrinsauter.ch, 0041 (0) 78 674 10 69
IBK-Künstlerbegegnung Alle zwei Jahre richtet die Internationale Bodensee Konferenz (IBK) Künstlerbegegnungen in jeweils einer Kunstsparte aus. Damit möchte sie einen künstlerischen Dialog zwischen den Kulturschaffenden rund um den Bodensee initiieren. Im Austausch und Zusammenspiel soll Neues entdeckt werden. Die Öffentlichkeit erhält Gelegenheit, kulturelle Vielfalt und Gemeinsamkeiten der Bodenseeregion zu erleben. Die Kantone und Länder der IBK wechseln sich in der Organisation der Künstlerbegegnung ab.